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Veröffentlicht am 16.12.2021

Issam Alnajm: Notiz zum 1. Vernetzungstreffen Bochum - Stadt der Vielen am 7.12.2021

Das per Zoom organisierte Vernetzungstreffen zum Thema „Erinnern von Migration & die Frage: Wer inszeniert wie Geschichte?“ Anfang Dezember hat mich sehr bewegt und überrascht. Anders als ich vermutet hatte, wurde es ein Abend, an dem ich nicht passiv vor dem Bildschirm gesessen habe, um zuzuhören. Alle Teilnehmenden wurden eingebunden und die Beiträge waren so interessant, vielfältig und sehr lebendig, dass alle daran teilhaben konnten.

Zu Beginn ging es um die Erinnerung an erste Momente in einem neuen Land: den ersten Ort, an dem wir Menschen begegnet sind, die sich Zeit für uns genommen haben. Hierzu wurden Break-Out-Räume eingerichtet, in denen sich jeweils zwei Personen fünf Minuten lang unterhalten konnten. Diese Idee hat Ximena León eingebracht: ein digitales SpeedTalking. Vor der Pandemie hat Ximena León einmal im Monat in Bochum ein analoges SpeedTalking organisiert, das viel Zuspruch erhalten hat. Es geht dabei um Begegnungen, um die deutsche Sprache, um Spaß. Ich selbst war fast immer dabei. Viele Menschen, die neu in Bochum waren, kamen dorthin und knüpften erste Kontakte, Freundschaften. Meine eigenen „ersten Orte“ in Bochum sind die Stadtbücherei, der Stadtpark und das Schauspielhaus. Diese Orte sind für mich sehr bedeutsam geworden. Die Ergebnisse aus den Breakout-Out-Räumen wurden später in eine interaktive Karte eingetragen.

Anschließend stellten Alexis Rodriguez und Patrick Ritter das Biografie-Projekt „Bochum – Stadt der Vielen“ vor. Mit freundlichen Stimmen sprachen sie über die Ziele des Projektes, die Phasen und die Projektpartner*innen. Ihrer Arbeit haben sie ein Zitat von Vilém Flusser vorangesetzt: „Zu Hause sein bedeutet unvollkommenes und beständiges Ankommen, ein Ankommen, von dem wir uns selbst immer erzählen müssen.“
 
Musikalisch begleitet wurden wir an diesem Abend von Güler Bulgurcu und ihrem Bruder Firat Bulgurcu mit wunderschönen Liedern in verschiedenen Sprachen und aus verschiedenen musikalischen Traditionen. Am meisten bewegt hat mich ein arabisches Lied über die Freiheit. Dieses Lied wurde für alle politischen Gefangenen gesungen. Bis heute sind viele Menschen aufgrund ihrer politischen Überzeugungen in den Gefängnissen der Diktaturen.

Drei weitere interessante Projekte wurden uns an diesem Abend noch präsentiert: Die Journalistin und Autorin Nilüfer Şahin stellte die offene Literaturplattform „Daughters and Sons of Gastarbeiters“ vor. Das zweite Projekt war ein Film der Filmemacherin Tianlin Xu mit dem Titel „Frauen Lebenswelten“. Diesen Film hatte ich schon in Hattingen gesehen und fand ihn sehr emotional, mutig und bewegend. Das dritte Projekt war „Porta Polonica“, eine digitale Dokumentationsstelle zur Kultur und Geschichte der Polen in Deutschland, vorgestellt von dem Historiker Dietmar Osses, Leiter des LWL-Industriemuseums Zeche Hannover. Ich bin sehr froh, sagen zu können, dass wir im Ruhrgebiet bereits eine große Vielfalt haben. Denn darin liegt ein großer Reichtum. Mir persönlich liegt sehr viel an solchen Projekten und Veranstaltungen, die den hohen Wert der Vielfalt in den Blick nehmen, die uns stärker miteinander verbinden und die Grenzen zwischen uns verschwinden lassen.

Der Autor: Issam Al-Najm, geboren 1984 in Alsuayda (Syrien), hat Elektrotechnik studiert. Eigene Texte schreibt er bereits seit seinem zehnten Lebensjahr. Seine Gedichte, die er auf Arabisch und inzwischen auch auf Deutsch schreibt, erscheinen in unterschiedlichen Publikationen; 2018 erhielt er den 1. Preis in einem Literaturwettbewerb der Literarischen Gesellschaft Bochum. Seit 2017 engagiert er sich für das Projekt „Neu in Deutschland“.

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